Wein- und Biergärten und Vergnügungsparks

Ausschank der Bötzow-Brauerei, Postkarte vor 1916. Quelle: Museum Pankow

Gärten zum Ernten, Trinken und Vergnügen

Wenn es ihm in der Stadt zu eng wurde, suchte der Berliner schon immer sein Heil im Grünen. Bereits Mitte des 16. Jahrhunderts gab es um Berlin 70  Weinberge und 26 Weingärten, die das Naturvergnügen mit der Weinverkostung verbanden. Später übernahmen diese Aufgabe die vielen Biergärten entlang der
Barnim-Hangkante.

In den Biergärten fanden Tausende Gäste unter schattenspendenden Bäumen Platz. Sonntags trank man sein Bier bei Würst, Bötzow, Schultheiss oder Pfeffer, bei Groterjahn in der Königstadt-Brauerei oder in der Brauerei am Friedrichshain. Als die Pferdebahn Kutsche und Kremser ablöste, wurden ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor den Toren Berlins, so etwa an schönen Ausflugsorten in Pankow, zahlreiche Vergnügungsgärten eröffnet.

Der Wollank’sche Weingarten mit Blick auf Berlin um 1835. Lithographie von Ludwig Eduard Lütke, Quelle: Sammlung Wolfgang Krause

„Die Berliner schwärmen nur für die Natur, weil so viele Wirtshäuser drinstehen.“

Henry W. Urban, 1911

1. Die Weingärten

Lagen die ersten Weingärten noch direkt in der Stadt, legten die Berliner etwa ab dem 14. Jahrhundert ihre Äcker und Weingärten entlang der Hänge des Teltows und der Barnim-Hangkante an. Der Barnim ist ein eiszeitlicher Höhenzug, der an der heutigen Torstraße beginnt und sich bis zum Oderbruch zieht. An seiner höchsten Stelle ist er 94 Meter hoch.

Dörfer vor der Stadt, wie Weißensee, Rosenthal und Buch, hatten häufig ihren eigenen Weinberg. In Niederschönhausen gab es drei Weinberge in der Königin-Plantage, die sich in der heutigen Schönholzer Heide befand.

Die Berliner tranken ihren Wein am liebsten vor Ort, auch um die Akzise zu sparen. Der Wein wurde besteuert und durfte erst nach der Begutachtung durch den Weinvisierer im Ratskeller verkauft werden.

Der letzte Berliner Weingarten befand sich am Wollank’schen Weinberg in der „Weinstube zur Traube“ (heute Weinbergsweg). Hier wurde 1848 der Spreewein für drei Taler die Flasche ausgeschenkt. Die letzten Rebstöcke rodete man 1913. Der Seidenhändler Gottlieb Friedrich Wollank (1771–1851) hatte das Grundstück 1801 erworben. Sein Enkel Carl Friedrich Wollank (1831–1894) erbte den Weinberg und bot neben Kaffee weiterhin Wein in seinem Garten an. Später wurden Wein- und Kaffeevergnügen mit Theateraufführungen verbunden. Hier befanden sich das Theater von „Mutter Gräbert“ und später das Walhalla-Theater mit „Carows Lachbühne“.

Festungsplan (Ausschnitt) mit eingezeichneten Weinbergen, 1701. Faksimile, Quelle: Weingarten Berlin
Weingarten im Prenzlauer Berg
1999 wurden wieder 600 Reben im Weingarten Prenzlauer Berg in der Straße am Weingarten 16 ausgepflanzt. Foto: Wolfgang Krause, 2022
Veranstaltung im Weingarten 2023
Viele Veranstaltungen im Weingarten sorgen für mehr Bekanntheit des guten Berliner Weins. Foto: Wolfgang Krause, 2023
Prenzlauer Berger Riesling: „der Besondere"
Seit 2003 gibt es für Berlin wieder den Prenzlauer Berger Riesling, der heute „der Besondere" heißt. Foto: Wolfgang Krause, 2023

2. Die Biergärten

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts siedelten sich viele Brauereien an der Barnim-Hangkante an. Sie benötigten die in den Höhenzug gebauten Keller zur Lagerung des Bieres. Die größten und bekanntesten lagen in der Saarbrücker Straße und an der Schönhauser Allee, wie die Brauerei Pfeffer, die Königstadt-Brauerei und die Bötzow-Brauerei.

Zwischen 1910 und 1914 gab es insgesamt 41 Brauereien in Berlin, davon allein 20 im Prenzlauer Berg, fünf in Weißensee und drei in Pankow. Etwa ein Viertel war mit Biergärten ausgestattet. Dort konnten die Berliner unter Kastanien, Linden oder Platanen sitzen.

Einer der größeren Biergärten befand sich in der Saarbrücker Straße: Im Garten der Bötzow-Brauerei fanden bis zu 6.000 Gäste Platz. Auf dem Betriebsgelände der Bötzow-Brauerei in der Prenzlauer Allee entstand das „Schloss des Nordens“, das mit dem Berliner Stadtschloss zu konkurrieren suchte. Die Villa von Julius Bötzow (1839–1914) und die Brauereigebäude verband ein aufwendig gestalteter Garten.

Schwimmbecken im Garten der Bötzow-Brauerei um 1939. In: Festzeitschrift 75 Jahre Julius Bötzow Brauerei, 1939
Gartenplan der Villa Bötzow. Die neuen Planungen für die Bötzow-Brauerei von David Chipperfield Architects erfolgen auf der Grundlage dieses historischen Planes. A: Bötzow-Villa, B: Wintergarten, C: Gewächshäuser, D: um vier Meter erhöhter Hof mit Mistbeeten, E: Spiel- und Turnplatz, F: Croquet-Platz, G: Rosenstück aus Hochstämmen mit niedriger Rosen­unterpflanzung, H: Fontänenbassin, I: Bassin In: Zeitschrift für Gartenbau und Gartenkunst, Bd. 12, 1894, Quelle: Sammlung Wolfgang Krause
Blick auf das Bötzow-Areal um 1900, mit Ausschankgelände, Brauereigebäude, Villa („Schloss des Nordens“) und Garten. In: Festzeitschrift 75 Jahre Julius Bötzow Brauerei, 1939
Bauschild am Areal der Bötzow-Brauerei
Geplante Neugestaltung von David Chipperfield Architects, Areal der Bötzow-Brauerei, Bauschild, Foto: Wolfgang Krause

3. Die Vergnügungsparks

Besonders an den Sonntagen entfloh der Berliner seiner Stadt. Doch die Natur allein genügte vielen nicht, man wollte sich amüsieren. So entstanden an der nördlichen Berliner Peripherie mehr und mehr Vergnügungsgärten und Parks: 1855 im Garten am Weißen See Sterneckers Vergnügungspark nach dem Vorbild des Tivoli in Kopenhagen, 1867 ähnlich dem Prater in Wien der Prater in der Kastanienallee und 1877 der größte Berliner Vergnügungspark in der Schönholzer Heide. Per Pferdeomnibus (1873), Ringbahn (1875) und Pferdebahn (1877) erreichten die Städter immer schneller und bequemer den Berliner Norden. Auf Ausflügen nahmen die Berliner gern ihr Essen mit. Der Kaffee wurde vor Ort gekocht: „Der alte Brauch wird nicht gebrochen. Hier könn’ Familien Kaffee kochen“ war ein gängiger Spruch um die letzte Jahrhundertwende.

Brauerei und Etablissement „Zum Sternecker“ um 1885. Zu den besonderen Attraktionen im Vergnügungspark zählten das am See errichtete Theater, Karussells, die Schwedische Rutschbahn, das Taucherbassin, die Reiterbahn und die Römische Arena für Sportkämpfe. Quelle: Museum Pankow
der_pratergarten_um_1915
Ab 1837 wurde die frühere Poststation in der Kastanienallee als Bierausschank genutzt. 1867 erhielt der Besitzer J. F. A. Kalbo eine Theater-Konzession – die Geschichte des Berliner Praters (lat. „pratum“ bedeutet Wiese) konnte beginnen. Hier genoss das Publikum Theater-, Varieté- und Sportveranstaltungen, Militärkonzerte oder Feste mit Illuminationen und Feuerwerk. Im Garten standen Buden zum Würfeln, Schießen und Ballwerfen. Quelle: Museum Pankow
Der Pratergarten um 1915. Ab 1837 wurde die frühere Poststation in der Kastanienallee als Bierausschank genutzt. 1867 erhielt der Besitzer J. F. A. Kalbo eine Theater-Konzession – die Geschichte des Berliner Praters (lat. „pratum“ bedeutet Wiese) konnte beginnen. Hier genoss das Publikum Theater-, Varieté- und Sportveranstaltungen, Militärkonzerte oder Feste mit Illuminationen und Feuerwerk. Im Garten standen Buden zum Würfeln, Schießen und Ballwerfen. Quelle: Museum Pankow
Lunapark in der Schönholzer Heide, Postkarte o.D. Im März 1933 eröffnete in der Schönholzer Heide hinter dem Schießplatz der Schützengilde der „Lunapark“. Varieté, Rummel, Marionettentheater, Musik und „Schönholz in Flammen“ begeisterten die Gäste. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde der Park geschlossen. Der alte Lunapark am Halensee war bereits 1934 für den Bau der Halenseestraße abgerissen worden. Quelle: Sammlung Willy Manns