Bürgerinitiativen für Grün
„Wanderer achte Natur und Kunst und schone ihrer Werke“ lautet die Inschrift auf dem ersten Denkmal zum Schutz der Natur. Der sogenannte Warnaltar entstand um 1800. Er befindet sich im Wörlitzer Park, einem Landschaftsgarten nach englischem Vorbild. Fürst Leopold III. von Anhalt-Dessau (1740–1817) und sein Freund, der Architekt Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736–1800), begründeten mit ihrem Gartenreich die moderne Landschaftspflege. Die beiden aufklärerisch denkenden Männer betrachteten Landnutzung und Landschaftsgestaltung als eine Einheit und wollten auch erzieherisch wirken.
Doch die Sorge um die Natur erhielt erst im Zuge der Industrialisierung am Ende des 19. Jahrhunderts einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft. Bürger gründeten Gruppen, die sich für die Umwelt engagierten, und es entstanden sehr bald erste Naturschutzgebiete in Berlin.
In der schwierigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg setzten sich engagierte Bürger und Politiker für den Ausbau des Berliner Stadtgrüns ein. Sowohl Volksparks als auch Spiel- und Sportplätze sollten ausreichend vorhanden sein und von allen genutzt werden können.
Mit dem 1951 beschlossenen Nationalen Aufbauwerk der DDR und der sogenannten Volkswirtschaftlichen Masseninitiative entwickelte sich eine staatlich geförderte Mitarbeit der Bürger bei der Pflege der Grünflächen. Seit den 1980er Jahren wich diese dann, nicht zuletzt wegen der offensichtlichen Umweltprobleme, allmählich einer stärkeren Eigeninitiative. Auch heute steigt wieder die Zahl der Bürgerinitiativen angesichts der zum Teil vernachlässigten Pflege des Grüns durch die öffentliche Hand. Mit Urban Gardening und Urban Farming sind außerdem neue Formen im Umgang mit den städtischen Grün- und Freiflächen entstanden. Für viele Berlinerinnen und Berliner gilt schon längst: „Achte Natur und Kunst und schone ihrer Werke – und tu’ was!“
1. Soziales Grün oder vom Zier- zum Nutzwert
Krisenbedingte Nutzung und Gestaltung von Grünanlagen nach dem Ersten Weltkrieg
Schwierige Situationen erfordern tatkräftige Menschen. Die prekären Lebensbedingungen nach dem Ersten Weltkrieg und die finanzielle Not der Stadt ließen den Berliner Oberbürgermeister Gustav Böß (1873–1946) zu ungewöhnlichen Maßnahmen greifen. Er rief ein Notstandsprogramm zum Bau von Spiel- und Sportplätzen sowie Volksparks und Schwimmsportstätten ins Leben, das er zum Teil durch eine private Stiftung finanzierte. Außerdem forderte Böß die Berliner zur direkten Mitarbeit auf, als die Bauarbeiten durch die Inflation immer häufiger ins Stocken gerieten.
„Ich hatte Vertrauen zu der Sache, ich sagte: Gemacht werden muss es, unter allen Umständen. Fangen wir mal an.“
Gustav Böß über die Stiftung „Park Spiel und Sport“ in einem Vortrag während der Deutschen Tagung für Körpererziehung im Mai 1924 in Berlin. In: Gartenkunst. Monatszeitschrift für Gartenkunst und verwandte Gebiete, Nr. 4 / 1924, S. 50
1.1 Die Stiftung Park Spiel und Sport
Gustav Böß initiierte 1922 ein Notstandsprogramm mit einem Volumen von 22 Millionen Reichsmark, finanziert durch Stadt, Reich und preußischen Staat, zum Bau von 43 großen Projekten. Beinahe die Hälfte der Kosten wurde durch die von ihm im Dezember 1921 ins Leben gerufene Stiftung „Park Spiel und Sport“ getragen. Böß schaffte es, private Spender zu gewinnen, wodurch die Realisierung des freiflächenpolitischen Sofortprogramms überhaupt erst möglich wurde: „Ich suchte mir Helfer in allen Kreisen der Berliner Bevölkerung, unter der Lehrerschaft, in Handel und Industrie, in Finanzkreisen, und in kurzer Zeit war es möglich, erhebliche Summen zusammenzubringen.“
Bis 1924 wurden die zwölf größten Projekte fertiggestellt. In Pankow entstanden der Sportplatz Pfeilstraße in Niederschönhausen, der David-August-Bolle-Sportplatz in der Blankenfelder Chaussee und der Kissingensportplatz. In der Schönholzer Heide wurde eine Liegewiese mit Sandstrand zum Baden in der Panke angelegt. Bei vielen Projekten wurden Arbeitslose eingesetzt.
1.2 Rettet die Heide! Eine Bürgerinitiative für die Schönholzer Heide
Um die Jahrhundertwende, zur Zeit des Baumbooms, plante der preußische Forstfiskus, die Schönholzer Heide abzuholzen und zu parzellieren. Zur Vermarktung des Vorhabens wurde sogar eine Postkarte gedruckt: „Die Schönholzer Heide wird parcelliert.“ Um das zu verhindern, gründete sich der Verein „Rettet die Heide“. Seine Argumente für den Erhalt der Heide als Ausflugsziel hatten Gewicht: An den Wochenenden kamen bis zu 60.000 Besucher. Hier gab es Erholungsstätten, die das DRK und andere Wohlfahrtsverbände für bedürftige Frauen und Kinder eingerichtet hatten. Gemeinsam mit Wilhelm Kuhr, dem damaligen Bürgermeister von Pankow, schaffte es der Verein, den Park zu erhalten.
2. Grün für alle! Mit oder ohne Staat? Vom Nationalen Aufbauwerk zum Lupinenbeet auf dem Mauerstreifen
Die SED beschloss 1951 das Nationale Aufbauwerk (NAW) zum Wiederaufbau des Landes durch freiwillige und gemeinnützige Arbeit. In den 1960er Jahren wurde es durch die Volkswirtschaftliche Masseninitiative (VMI) ersetzt, in Form von Subbotniks oder der Mach-mit-Bewegung.
Zunächst waren es der Mangel der Nachkriegszeit und später die begrenzte wirtschaftliche Kraft der DDR, die eine staatlich geförderte Mitarbeit der Bürger notwendig machten. In den 1980er Jahren wollten immer mehr Bürger angesichts der zunehmenden Umweltprobleme selbst für die Pflege und den Erhalt des Berliner Grüns verantwortlich sein. Vom Bezirksamt initiierte Baumpflanzungen wurden von den Bürgern mit Engagement mitgetragen. Baumpflanzungen kleiner Umweltgruppen wurden stattdessen zum politischen Symbol. Die unabhängige Umweltbewegung entwickelte sich zu einer der Säulen der oppositionellen Bewegung in der DDR.
NAW-Projekte in Pankow
2.1 Das Nationale Aufbauwerk in Pankow „Weil unser Glück in unseren Händen liegt“
Im NAW ging es zuallererst um das Beseitigen der riesigen Trümmerfelder, den Gewinn von Baumaterialien, das Zwischenbegrünen enttrümmerter Flächen und das Gestalten ehemals begrünter Stadtplätze. Jeder, der sich an der freiwilligen Arbeit beteiligte, leistete Aufbaustunden, die mit Klebemarken in einer Aufbaukarte dokumentiert wurden. Zur Anerkennung der Arbeit wurden Aufbaunadeln gestiftet: für 50 Halbschichten in Bronze, 100 Halbschichten in Silber oder 150 Halbschichten in Gold. Eine Halbschicht dauerte drei Stunden, sodass sich auch Werktätige am NAW beteiligen konnten.
Zahlreiche Projekte wurden initiiert, so etwa der Bau von Schwimmbädern, von Spiel- und Sportplätzen, Parkanlagen oder Kulturhäusern.
2.2 „Mach Mit!“ beim Bäumepflanzen!
Der Ausbau und die Pflege von Grünanlagen waren zwar offiziell erwünscht, konnten aber wegen der Mangelwirtschaft häufig nicht geleistet werden. So wurden auch die Bürger zur Mitarbeit bei der Gestaltung ihrer „sozialistischen Heimat“ aufgefordert.
Die als Subbotniks bezeichneten Arbeitseinsätze fanden meist am Samstag- oder Sonntagvormittag statt, sodass auch Schüler teilnehmen konnten. Sie waren Teil des sozialistischen Erziehungssystems und galten als gesellschaftlicher Auftrag.Mithilfe von Pflegeverträgen zwischen Gartenamt und Bürgern kompensierte man die notorisch fehlenden Arbeitskräfte und regte mit Erfolg die Eigeninitiative der Menschen an. Der Bezirk Prenzlauer Berg verfügte Mitte der 1980er Jahre über etwa 250 Hektar Grünfläche. Um allein 100 Hektar kümmerten sich 1.200 sogenannte Pflegepartner.
Baum-Pflanz-Aktionen in der Volkswirtschaftlichen Masseninitiative
Die zunehmende Luftverschmutzung, das Streuen von Salz im Winter und vor allem die defekten Gasleitungen gefährdeten seit Anfang der 1980er Jahre die Baumbestände ganzer Straßenzüge. Bäume in der Hufelandstraße, Kastanienallee, Schönhauser Allee und in einigen Abschnitten der Dimitroffstraße (heute Danziger Straße) starben und mussten gefällt werden. Die Bezirksverwaltung vom Prenzlauer Berg war deshalb mehr denn je auf die aktive Mitarbeit ihrer Bürger angewiesen. So wurden von den in der ersten Jahreshälfte 1985 gepflanzten 4.118 Bäumen (unter anderem in der Winsstraße, Mühlhauser Straße, Greifenhagener Straße, Kuglerstraße, Cantianstraße) 2.650 im Rahmen der volkswirtschaftlichen Masseninitiative gepflanzt. Zwischen 1983 und 1986 kamen noch einmal insgesamt etwa 14.000 neue Straßenbäume hinzu. Da die Bewässerung nicht allein von den Mitarbeitern des VEB (K) Stadtwirtschaft bewältigt werden konnte, wurden Pflegeverträge zwischen Gartenamt und Bürgern abgeschlossen. Die „Pflegeeltern“ erhielten 15 Mark pro Jungbaum und Jahr.
Bei den Baumpflanzaktionen wurden auch Straßen begrünt, die zuvor keine Baumbepflanzung hatten: u. a. die Belforter Straße, Kanzowstraße, Husemannstraße, Erich-Weinert-Straße, Dunckerstraße und Raumerstraße.
Die „Ein-Mann-Bürgerbewegung“ – Manfred Butzmann. Diether Schmidt, Kunsthistoriker (1930–2012)
Der Künstler Manfred Butzmann (*1942) wohnte von 1966 bis 2007 in der Pankower Parkstraße. Bereits seit Mitte der 1970er Jahre setzte er sich in seinen Arbeiten für einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur ein. Ihn störte die Unachtsamkeit vieler Bürger und der Behörden gegenüber dem Berliner Stadtgrün.
„Als Grafiker hat er hohen künstlerischen Anspruch an sich selbst, aber er ist gleichzeitig ein seltenes Exemplar von politisch engagiertem Bürger, der nicht vor der Obrigkeit kuscht.“
Jens Reich (*1939) Mitbegründer der Bürgerbewegung „Neues Forum“
Bäume pflanzen als Protest. Die unabhängige Umweltbewegung in der DDR
Mit Baumpflanzungen machten seit Beginn der 1980er Jahre unabhängige Umweltgruppen auf die Umweltprobleme in der DDR aufmerksam. Die erste Aktion fand 1979 in Schwerin statt. Kritik an der Umweltverschmutzung in der DDR war ein Tabuthema. Eine kritische, unzensierte Diskussion über Umweltfragen war nur unter dem Dach der evangelischen Kirche möglich. Die ersten unabhängigen Umweltgruppen entwickelten sich aus kirchlichen Jugendkreisen, in denen sich Christen und Nicht-Christen engagierten. 1983 befestigten Umweltschützer in vier Ostberliner Stadtbezirken Holzkreuze mit Protestlosungen an toten Straßenbäumen.
Die SED versuchte mit der 1980 gegründeten „Gesellschaft für Natur und Umwelt“ (GNU), die dem Kulturbund der DDR angegliedert war, die Umweltbewegung in staatliche Bahnen zu lenken.
Öffentlichkeitswirksame Aktionen der Umweltgruppen waren Fahrraddemonstrationen. Bei der „Friedensfahrt ohne Sieger“ im Mai 1983 versuchten Polizei und Staatssicherheit einzugreifen, konnten aber nur wenig ausrichten. Die zweite Friedensfahrt 1984 wurde durch die Staatssicherheit aufgelöst.
Umwelt-Bibliothek
Im September 1986 gründeten Ostberliner Oppositionelle, darunter Carlo Jordan, Oliver Kämper, Wolfgang Rüddenklau und Christian Halbrock, die Umwelt-Bibliothek im Keller des Gemeindehauses der Zionskirche in Berlin-Mitte. Die hier mit minimaler technischer Ausrüstung produzierte Samisdat-Zeitschrift „Umweltblätter“ machte die Umweltprobleme in der DDR öffentlich. Außerdem gab es Kontakte zur Westberliner „Kontraste“-Redaktion, die Beiträge zur ostdeutschen Ökologiebewegung sendete und damit ein bei Weitem größeres Publikum erreichen konnte.
Die Umwelt-Bibliothek entwickelte sich zu einem wichtigen Forum der DDR-Opposition, wo neben Umweltfragen aktuelle Themen wie Menschenrechte oder Reisefreiheit diskutiert wurden.
2.3 Mach Mit: „Wir machen den Höfen den Hof“!
Im Ausstellungszentrum am Fernsehturm fand im Rahmen des deutsch-deutschen Kulturaustausches im September 1982 die bundesdeutsche Ausstellung „Stadt Park – Park Stadt“ statt. Sie ging der Frage nach, wie das Leben in der Großstadt durch Grünflächen menschenfreundlich gestaltet werden kann. So wurden Projekte des Münchner Architekten Hermann Grub vorgestellt, die dieser mit wenig Geld und der Unterstützung von Bürgern umgesetzt hatte. Die Ausstellung bewirkte, dass die Begrünung von Höfen ein öffentliches Thema in der DDR wurde. Innerhalb weniger Jahre sollten nun Tausende Höfe in Ostberlin neu gestaltet werden. Motto der von den Gartenämtern betreuten Aktion war: „Wir machen den Höfen den Hof“. Den Bewohnern wurden Materialien wie Mutterboden, Sträucher, Rosen, Bäume, Stauden, Schalen, Fässer und Gehwegplatten zur Verfügung gestellt. Mit fachlicher Beratung durch die Pflegebetriebe begrünten und pflegten sie ihre Höfe und Vorgärten nun selbst. Von den etwa 3.000 Hinterhöfen im Prenzlauer Berg wurden innerhalb von drei Jahren mehr als 2.600 umgestaltet und begrünt, teilweise mit sehr einfachen Mitteln.
Der Hirschhof in der Oderberger Straße
Ein für DDR-Verhältnisse ungewöhnliches Hofprojekt war Anfang der 1980er Jahre die Anlage des Hirschhofes. Eine Gemeinschaft von Anwohnern machte sich für die Umgestaltung mehrerer unsanierter Hinterhöfe zu einem Spielplatz stark. Von Georg Götz, einem Puppenspieler, stammte 1980 die Idee, die sehr bald viele mittrugen. Es entstand eine Bürgerinitiative und durch das glückliche Zusammenspiel klug agierender Bürger und der Behörden nahm das Projekt allmählich Formen an. So entstand zwischen 1982 und 1985 im Rahmen der Aktion „Wir machen den Höfen den Hof“ eine grüne Oase zum Spielen, mit einem Amphitheater und einem aus Stahlschrott zusammengebauten Hirsch. Die Mitglieder der Bürgerinitiative schlossen mit dem Gartenamt Pflegeverträge ab und der Rat des Stadtbezirkes steuerte rund 350.000 Mark bei.
Die Gratwanderung zwischen Protest und Kooperation glückte hier auf eindrucksvolle Weise. Der Hirschhof entwickelte sich zu einem besonderen Treffpunkt, an dem von Anwohnern organisierte Konzerte und Feste stattfanden. Der Hof war auch ein Ort der Ostberliner Underground-Szene, zu der viele DDR-Oppositionelle gehörten. Nach langer gerichtlicher Auseinandersetzung wurde der Hirschhof den neuen Hauseigentümern zugesprochen. Es entstand auf dem Nachbargrundstück der Hirschhof Nr. 2 für die öffentliche Nutzung.
„Das Warten auf die Kommunale Wohnungsverwaltung, die irgendwann schon mal was machen wird, weicht immer häufiger eigener Mieterinitiative.“
Klaus Lemmnitz in der Neuen Berliner Illustrierten (NBI), Nr. 22/1986. Klaus Lemmnitz war Vorsitzender der VMI-Kommission des WBA (Wohnbezirksausschuss) 92.
2.4 Die Aktion „Mauer Land Lupine“ am 21. März 1990
Durch den Abriss der Mauer entstanden auf dem ehemaligen Grenzstreifen Freiflächen, über deren weitere Nutzung kontrovers diskutiert wurde. Drei Berliner Künstler, Anna Franziska Schwarzbach, Peter Schwarzbach und Manfred Butzmann, und die Grüne Liga initiierten die Aktion „Mauer Land Lupine“. Am 21. März wurden zehn Tonnen Lupinensamen von DDR-Grenzsoldaten und Mitgliedern der Initiative auf dem innerstädtischen Grenzstreifen ausgesät, um die Anlage einer grünen Landschaft auf dem ehemaligen Mauerstreifen anzuregen.
3. Warum gärtnern die denn alle? Bürgerarbeit für ein grünes Pankow heute und morgen
„Seit 2007 leben erstmals mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Vom Land leben sie trotzdem noch. Erscheint es da nicht folgerichtig, dass die Landwirtschaft nun auch in die Städte zurückkehrt?“
Christa Müller, Urban Gardening. Über die Rückkehr der Gärten in die Stadt, 2011
Viele Pankower sind bereit, sich für ihr Grün einzusetzen. Angesichts vieler verwahrloster Flächen belassen es die Bewohner aber nicht beim passiven Protest. Ihr Engagement reicht vom Säubern eines ungepflegten Platzes bis hin zur Sorge um die Bäume in ihrer Straße. Viele Initiativen setzten bereits im Verbund mit Quartiersmanagement und Bezirk ihre Ziele um. Die Vielfalt der Aktionen ist groß und ein Zeichen für den Stellenwert der Natur für den Menschen.
Auch die Zahl der in Eigeninitiative betriebenen Projekte des neuen urbanen Gärtnerns und der urbanen Landwirtschaft wächst stetig. Bepflanzte Baumscheiben und temporäre Gemüsebeete auf Stadtbrachen, Interkulturelle Gärten und Äcker am Stadtrand zur Selbstversorgung der Städter haben Konjunktur.
Mögen manche Urban Gardening als Groß-Stadt-Spleen abtun, die Idee hat sich längst etabliert. Diese junge und bunte Bewegung erprobt neue Lebensmodelle. Ihr Ziel ist eine nachhaltige Lebensweise. Die körperliche Arbeit im Grünen, das Lernen und das Miteinander sind wichtig.
Naturwissenschaftler und Soziologen sehen hier Wege, um die sozialen und ökologischen Probleme zu lösen, die durch wachsende oder schrumpfende Städte entstehen. Die Wissenschaft setzt auf urbanes Grün, um den ökologischen Fußabdruck von Städten zu verkleinern und die künftige Ernährung der Einwohner zu sichern. Die eigentlichen Adressaten des Urban Gardening sind die Stadtplaner und Stadtverwalter.
3.1 Was ist Urban Gardening?
Die Wurzeln des Urban Gardening liegen im New York der 1970er Jahre: Guerilla-Gärtner warfen Saat-Bomben, Kugeln aus Erde und Samen, auf die wenigen Grünflächen. Diese Form des Protestes fand auf dem europäischen Kontinent zuerst in London seine stärkste Verbreitung. Der Brite Richard Reynolds (*1977) ist Europas bekanntester Guerilla-Gärtner. Er begann 2004 damit, seine Londoner Wohngegend durch Pflanzen zu verschönern. Sein Buch „Guerilla Gardening“ war ein Startschuss für den Boom der eigenmächtigen Innenstadt-Begrünung.
Bekannt wurde Guerilla-Gardening auch, als sich am 1. Mai 2000 Globalisierungsgegner und Umweltaktivisten mit Gartengeräten, Erde und Setzlingen auf einer Rasenfläche im Londoner Stadtzentrum trafen, um die Straßen zurückzuerobern. Dieses Protest-Gärtnern fand auch Anhänger in Deutschland – sei es aus politischen oder ökologischen Gründen, mit künstlerischem Anspruch oder einfach aus dem Wunsch, einen verwahrlosten Ort zu verschönern. Es ist eine neue städtische Mit-mach-Kultur entstanden. Ein über Berlin hinaus bekanntes Projekt ist der Prinzessinnengarten am Moritzplatz in Kreuzberg.
Freiobst und Mundraub
Die Aktion Freiobst Pankow wurde von Bündnis 90/Die Grünen ins Leben gerufen. Ziel ist, neue Obstbäume auf frei zugänglichen Flächen zu pflanzen und für die Baumpflege zu sorgen. Als Partner konnten die Pankower Grünen die Initiative Mundraub, die Grüne Liga und die Genossenschaft „BürgerEnergieBerlin“ gewinnen. Die Akteure von Freiobst sammeln Spenden, kaufen davon Obstbäume und pflanzen diese in Absprache mit dem Bezirksamt an dafür geeigneten Stellen. Wer für einen Baum spendet, wird Baumpate. Pflanzaktionen von Freiobst Pankow fanden erstmals 2012 statt. Seitdem wurden Obstbäume an den Karpfenteichen am Panke-Radweg, am Blankenburger Pflasterweg und am Schmöckenpfuhlgraben in Heinersdorf gepflanzt. Weitere Pflanzungen sind in Planung.
Auf der interaktiven Karte www.mundraub.org/map sind öffentliche Straßen-Obstbäume in Berlin, Deutschland und Europa verzeichnet. Die Internetplattform Mundraub bietet in Berlin auch Fahrradtouren an und zeigt, wo man welche Früchte ernten kann.
Metamorphose. Der Kunst- und Lerngarten auf dem ehemaligen Friedhof Georgen-Parochial 1
Gärten für alle! Gemeinschaftsgärten und Interkulturelle Gärten
Der erste Interkulturelle Garten in Deutschland entstand 1996 in Göttingen auf Initiative von Migranten, Flüchtlingen und deutschen Familien. Bundesweit gibt es derzeit etwa 200 Interkulturelle Gärten, in Berlin 42 (Stand 2015 laut Stiftung Interkultur), in Pankow u. a. den „Bunten Garten“ in Buchholz und den „mauergarten“ im Mauerpark. Interkulturelle Gärten sind Gemeinschaftsgärten. Vorbild für die Gemeinschaftsgärten in Europa waren die in den 1970er Jahren entstandenen Community Gardens in New York.
Die gemeinschaftliche Nutzung der Gärten unterscheidet diese von den Kleingärten. Sie sind öffentlich zugänglich und werden von privaten Gruppen gestaltet und gepflegt. Gemeinschaftsgärten sind multifunktionale öffentliche Freiräume, die, wenn auch nicht immer vorrangig, für den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt werden.