Wohnungsnahes Grün

Wohnanlage Amalienpark, Schaubild, 1897. In: Deutsche Bauzeitung, 31. Jg., Quelle: Museum Pankow

Im Grünen wohnen

Erste Bestrebungen, Mietshäuser in der noch ländlichen Umgebung vor den Toren Berlins zu bauen, gab es bereits 1852. So ließ die Berliner gemeinnützige Baugesellschaft in der Bremer Höhe in der Schönhauser Allee nach englischem Vorbild Cottages, solide gebaute Landhäuser, errichten. Ziel der lockeren Bebauung war, eine nur geringe Einwohnerdichte zu erreichen und den Mietern die Möglichkeit zur Selbstversorgung durch Gartenanbau am Haus zu ermöglichen.

Dagegen orientierte sich der Wohnungsbau der Gründerzeit am maximalen Profit. Vorschriften, die Grünflächen innerhalb der Bebauung forderten, gab es nicht. So entstand in Berlin der größte Mietskasernenring weltweit ohne nutzbare Grünanlagen auf den Höfen.

Gegenentwürfe waren um die Jahrhundertwende gebaute Wohnanlagen mit großzügig gestalteten Grünflächen wie der Wohnkomplex im Amalienpark in Pankow oder das Munizipalviertel in Weißensee.

Dem sozialen engagierten Architekten Bruno Taut gelang es in den 1920er Jahren, auf kleinem Raum moderne Wohnungen zu planen und große begrünte Innenhöfe zu gestalten. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs folgten weitere Siedlungen, die sich an seinen Vorstellungen orientierten.

Nach dem Krieg war die Wohnungsnot groß. Ab 1950 entstanden in Pankow Wohnsiedlungen mit großzügigen Grünanlagen in den Innenhöfen und Abstandsgrün zu Verkehrsflächen und Nachbargebäuden. Promenaden wurden angelegt, Bäume gepflanzt sowie Spiel- und Sportplätze an zentralen Orten errichtet.

Seit 1990 ist Hofgrün wieder privates Grün. Der Berliner Senat hat verbindliche gesetzliche Regelungen geschaffen, damit ausreichend Grün-, Spiel- und Sportflächen für die Einwohner zur Verfügung stehen. In den Sanierungs- und Stadtentwicklungsgebieten ging die öffentliche Hand bei der Schaffung von Grünanlagen in Vorleistung. Außerdem nutzte man die Chance, kriegsbedingte Baulücken zu begrünen.

Bauten der Berliner gemeinnützigen Baugesellschaft, Schönhauser Allee 58/59, 1867 In: Atlas zur Zeitschrift für Bauwesen, 17. Jg., Blatt 42. Quelle: Sammlung Wolfgang Krause
Wohnhäuser in der Schönhauser Allee 58 b, 1893. Quelle: Stiftung Stadtmuseum Berlin, Foto: Georg Bartels

„Als der übelste Teil des sogenannten Scheunenviertels noch stand, fristete in einem der engsten Höfe der verkommenen modrigen Gassen ein Eschenbäumchen sein kümmerliches Dasein. Wie die Menschen, mit denen es die Atmosphäre äußerster Armut teilen musste. Die Rinde zerhackt, zerschnitten, die ärmlichen Äste mit Lumpen behängt, umlagert von Müll und Unrathaufen. In diesem dumpfen Gefängnis, früh bis spät umstrichen von menschlichem Elend, rang es, wie ein Kranker, nach Luft und Sonne.“

Heinrich Zille, 1927

1. Von der Mietskaserne zur grünen Stadt

In den engen Hinterhöfen der Mietskasernen im Prenzlauer Berg, die im Zuge der Gründerzeit innerhalb des S-Bahnringes entstanden waren, fand kaum ein Baum Platz. Doch schon bald wurden vor den Toren Berlins sozialgeschichtlich bedeutsame Siedlungen errichtet, die durch reich begrünte Zentren, Höfe oder eine noch von der Natur geprägte Umgebung eine hohe Lebensqualität boten.

Der Weißenseer Bürgermeister Carl Woelck plante zu Beginn des 20. Jahrhunderts, den Ort Weißensee zu einer eigenen, für die Berliner attraktiven Stadt auszubauen. So berief er 1906 Carl James Bühring (1871–1936) zum Gemeindebaurat. Bühring schuf mit dem Munizipalviertel (1908–1912) einen durchgrünten Wohnkomplex rings um den Kreuzpfuhl. Der Gartenarchitekt Johannes Driese gestaltete eine begrünte Verbindung über die heutige Woelckpromenade und den Goldfischteich zum Weißen See.

Nachfolgende Architekten griffen die Idee auf, städtische Wohnbauten mit einer Grünanlage zu verbinden. An der Woelckpromenade entwarf Josef Tiedemann (1884–1959) einen am barocken Holländischen Viertel in Potsdam orientierten Wohnkomplex (1925–1928) um einen parkähnlich angelegten Hof („Holländerhof“).

Auch Pankow warb für den Zuzug der Berliner mit seinem Ruf als Parkstadt. Rings um den Pankower Anger entstand neben der Siedlung am Amalienpark (1897) die Paul-
Francke-Siedlung.

Blick auf das ehemalige Reform-Gymnasium mit dem Schwanenteich ca. 1910. Quelle: Museum Pankow
Grünanlage am Goldfischteich, 1917. Quelle: Museum Pankow
Der Holländerhof an der Woelckpromenade, 2014. Foto: Dr. Axel Täumler
Stadthalle am Schwanenteich, 1932. Quelle: Museum Pankow, Foto: Herbert Friede

2. Bruno Taut und das neue Wohnen

Die Wohnstadt Carl Legien um 1930
Die Wohnstadt Carl Legien um 1930. Die Wohnstadt wurde nach dem ersten Vorsitzenden des 1919 gegründeten Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes Carl Legien (1861–1920) benannt. Quelle: Sammlung Wolfgang Krause

„Wir sind der Meinung, dass die unmittelbare äußere Umgebung der Wohnung selber von größter Bedeutung ist, den Wohnwert der Wohnung erhöhen oder vermindern kann.“

Bruno Taut

Bruno Taut (1880–1938) kam aus der Gartenstadtbewegung und hatte bereits mit dem reformorientierten Gartenarchitekten Ludwig Lesser (1869–1957) zusammengearbeitet. Er versuchte die Ideen der Gartenstadtbewegung für den Großsiedlungsbau fruchtbar zu machen. Gemeinsam mit Franz Hillinger (1895–1973) plante Taut 1925 als Chefarchitekt der GEHAG (Gemeinnützige Heimstätten Aktiengesellschaft) die Wohnstadt Carl Legien in der heutigen Erich-Weinert-Straße – mit großen begrünten Innenhöfen, die sich durch ihre U-Form zur Straße hin öffneten. Durch eine terrassenartige Bepflanzung gelang eine harmonische Verbindung zwischen Hof und Straßenraum. Damit entstand ein bis zu diesem Zeitpunkt unerreichtes Zusammenspiel von Gartenkunst und Architektur. Obwohl die Straßen der Siedlung schmal waren, erhielten die Häuser Vorgärten und die Straßen eine einheitliche Baumbepflanzung.

2008 wurde die Wohnstadt Carl Legien in die UNESCO-Weltkulturerbeliste aufgenommen. Mit seinen Bauten in der Buschallee (1926–1930), in der Grellstraße (1927–1928) und der Paul-Heyse-Straße (1926–1927) führte Taut das Prinzip der geöffneten, begrünten Innenhöfe fort. Es findet sich auch bei Bauten der 1930er Jahre wieder, wie der „Grünen Stadt“ an der heutigen Rudolf-Schwarz-Straße.

Grünanlagen in der Wohnstadt Carl Legien um 1933. Quelle: Museum Pankow
Bauten von Bruno Taut in der Buschallee. Bruno Taut verband hier erstmals die industrielle Bauweise mit Mietergärten und einem Zugang vom Balkon. In: Winklar Oszkár, Bruno Taut, 1980, Abb. 28
Innenhof der Wohnanlage am Zellerweg, 2015. Bei den u. a. von Paul Mebes (1872–1939) und Paul Emmerich (1876–1958) zwischen 1925 und 1936 geplanten Wohnanlagen rings um den Kissingenplatz entstanden große sonnige Innenhöfe und zentrale Plätze mit Spielanlagen. Foto: Thomas Tobian
Wohnviertel rings um den Kissingenplatz, 1930. Vermessungsplan (Ausschnitt). Quelle: Museum Pankow
Wohnanlage Zeppelinhäuser an der Prenzlauer Promenade/Kissingenstraße, 2015. Der abwechslungsreiche Baum- und Gehölzbestand in der 1930/31 errichteten Wohnanlage lässt malerisch wirkende Bilder entstehen. Foto: Thomas Tobian

3. Grüne Fassaden

In den 1920er und 1930er Jahren gestalteten manche Architekten Häuser und Siedlungen mit Klettergehölzen. Sie hatten die Vorteile begrünter Hauswände erkannt: Die sogenannten Fassadenkletterer (z. B. selbst kletternder Wein) sind nützlich für die Stadtökologie. Eine Biomasse, die in der Vertikalen wächst, beeinflusst das Mikroklima an den Wänden positiv und trägt zur Sauerstoffproduktion in der Stadt bei. Schadstoffe werden gebunden und die Luft gekühlt. Das Blätterdach schützt die Fassade vor starken Temperaturschwankungen.

Die Vorteile von Klettergehölzen nutzten in den 1980er Jahren auch die Mieter im Prenzlauer Berg bei der Gestaltung ihrer Höfe. Anfang der 1990er Jahre startete das Gartenamt eine Initiative zur Begrünung von Gebäudefassaden. Begonnen wurde mit dem Bezirksamt in der Fröbelstraße. Rings um den Teutoburger Platz scheiterte die Aktion an den veränderten Eigentumsverhältnissen und an den Vorbehalten, die sich seit den 1920er Jahren hartnäckig halten. Man befürchtet noch immer, dass die Wurzeln den Putz beschädigen und vermehrt Insekten in die Wohnung gelangen.

Begrünung durch Klettergehölze in der Varnhagenstraße, 2014. Foto: Thomas Tobian
Begrünung durch Klettergehölze in der Varnhagenstraße, 2005. Bei der Rekonstruktion der Fassaden gelang es, die Kletter­gehölze zu erhalten. In alter Schönheit begrünen sie nun wieder die Fassaden und werden von den Mietern wegen ihrer Vorteile sehr geschätzt. Foto: Dieter Schönberg

„Die Vorbehalte gegen Schlingengewächse wegen angeblicher Bauschädigung sind durch die Gutachten namhafter Architekten endgültig erledigt.“

Karl Förster, 1920

Begrünte Fassade des Bezirksamtes Pankow in der Fröbelstraße, 2014. Im Vordergrund sieht man die Skulptur „Schiff zur Rettung der Unschuld der Kunst“ von Martin Wilke und Thomas J. Richter. Foto: Thomas Tobian

„Das einfachste Gebäude, sofern es mit frischem Grün umrahmt wird, gewinnt an Freundlichkeit und Wohnlichkeit.“

Hugo Koch, 1910

4. Wohngrün nach dem Zweiten Weltkrieg

1945 lag Berlin in Schutt und Asche. 46 Prozent der Häuser in der Innenstadt waren zerstört.

Für den Bau des Wohngebietes in der Ostseestraße mussten Kleingärten aufgegeben werden, die nach dem Krieg den Bereich in der Ostsee-, Michelangelo- und Storkower Straße dominierten. Unter der Leitung des Architekten Hermann Henselmann (1905–1995) entstanden zwischen 1950 und 1955 drei- bis fünfstöckige Wohnbauten. Die Blockgliederung erlaubte die Gestaltung großer, begrünter Innenhöfe.

Bei der Anfang der 1960er Jahre entstandenen Siedlung in der Michelangelostraße folgte man bei der Begrünung erneut Henselmanns Vorstellungen. Zwischen den Bauzeilen wurden großzügige, mit Vorgärten, Rasen und Gehölzen geschmückte Abstandsflächen angelegt. Spiel- und Sportflächen errichtete man nun um das Wohngebiet und nicht mehr (wie noch in der Ostseestraße) im Zentrum der Wohnanlage.

Komplexer verfuhr man bei der Grüngestaltung ab Mitte der 1980er Jahre beim Baugebiet in der Greifswalder Straße, das von Hochhäusern dominiert wird. Hier wurden Spielplätze in die großen, begrünten Innenhöfe verlegt, wobei sich die Gestaltung an den weiterentwickelten Freiflächennormen orientierte. Nach diesem Muster entstand z.B. auch das Wohngebiet in Berlin-Buch.

Um die Bausünden der Gründerzeit im Prenzlauer Berg zu mildern, entkernte man im Modernisierungsgebiet am Arnimplatz in den 1980er Jahren die Blockinnenbereiche. Auf den neuen, größeren Hofflächen entstanden Spielplätze und Grünanlagen. Die Mieter konnten im Rahmen der Initiative „Wir machen den Höfen den Hof“ an der Gestaltung mitwirken.

1985 gelang mit dem Ernst-Thälmann-Park die Synthese von Grüngestaltung und Wohnbauten zum Wohnpark.

Begrünte Innenhöfe im Baugebiet Greifswalder Straße, 2015. Das Wohngebiet entstand von 1978-1985. Foto: Thomas Tobian
Innenhof-Begrünung der Wohnhäuser von Hermann Henselmann in der Ostseestraße, 2015. Foto: Thomas Tobian
Wohngebiet an der Ossietzkystraße
Wohngebiet an der Ossietzkystraße, Quelle: Wolfgang Krause
Wohngebiet an der Michelangelostraße um 1970
Wohngebiet an der Michelangelostraße um 1970, Postkarte Quelle: Sammlung Wolfgang Krause
Wohngebiet an der Ostseestraße um 1960
Wohngebiet an der Ostseestraße um 1960, Blick vom Ostseeplatz Richtung Hosemannstraße, Quelle: Sammlung Wolfgang Krause
Grünanlagen in der Siedlung Michelangelostraße, 2015. Die Wohnanlage entstand in den 1960er Jahren. Foto: Thomas Tobian
Begrünte Innenhöfe im Baugebiet Greifswalder Straße, 2015. Das Wohngebiet entstand von 1978-1985. Foto: Thomas Tobian
Entkernter Innenhof im Modernisierungsgebiet Arnimplatz, Wohnhof in der Paul-Robeson-Straße, 1986. Foto: Wolfgang Krause
Begrünter Innenhof im Modernisierungsgebiet Arnimplatz, Wohnhof in der Paul-Robeson-Straße, 1986. Foto: Wolfgang Krause

5. Wohngrün seit 1990

Wohngrün ist seit 1990 wieder privates Grün. Investoren und Bauherren sind wegen der hohen Bodenpreise daran interessiert, erworbene Grundstücke so gewinnbringend wie möglich zu vermarkten. Die Stadt- und Landschaftsplanung des Berliner Senats legt die Richtwerte für den Umfang von Grün- und Spielflächen fest: 1,5 Quadratmeter Spielplatzfläche pro Einwohner, sechs Quadratmeter Wohnungsgrün pro Einwohner, sieben Quadratmeter Grünanlagen in der Umgebung pro Einwohner.

Die durch eine Bebauung beseitigten Grünflächen und Bäume müssen auf dem Baugrundstück ausgeglichen werden. Im Neubaugebiet Karow-Nord wurde der Eingriff in Natur und Landschaft durch die Anlage des Landschaftsparks ,,Neue Wiesen“ wettgemacht. Gestalterisch geschickt setzte man die Vorgaben im Neubaugebiet Französisch Buchholz in der Straße Am Rosenweg um.

In Sanierungs- und Stadtentwicklungsgebieten wie dem ehemaligen Schlachthof geht das Land Berlin in Vorleistung. Innerhalb der Infrastrukturmaßnahmen werden Grünflächen, Spiel- und Sportplätze entsprechend einem Sanierungskonzept angekauft und gestaltet. Vorhandene Grünanlagen werden intensiviert.

Wohnhof mit Spielplatz in der Matthieustraße in Französisch-Buchholz, 2015. Das Wohngebiet entstand in den 1990er Jahren. Foto: Thomas Tobian
Wohngebiet in der Pfannschmidtstraße in Karow mit typischer Wohnhofbegrünung und Spielplatz der 1990er Jahre, 2015. Foto: Thomas Tobian
Ökowiese am Wohngebiet Greifswalder Straße
Die Ökowiese am Wohngebiet Greiefswalder Straße, angelegt etwa 1995, mit großer Artenvielfalt im Juli 2012, Fotos: Inge Stüwer

Ausblick

Berlin braucht bezahlbare Wohnungen. Der Bezirk Pankow plant, in den folgenden Jahren Platz für den Wohnungsbau zu schaffen. So sollen an den ehemaligen Güterbahnhöfen Greifswalder Straße und an der Granitzstraße neue Siedlungen entstehen und das Baugebiet an der Greifswalder Straße soll verdichtet werden. Viele zukünftige Bauprojekte in Pankow sind in Vorbereitung. Im Pankower Süden soll mit 20.000 Haushalten eines der größten Wohnungsprojekte Deutschlands entstehen.

Die Planungen lassen erkennen, dass an die umfassende Grünversorgung der Anwohner gedacht wird.